Ummerstadter im Westen 1945-1989

 

Ummerstadter in der Bundesrepublik Deutschland 1945-1989

In Ummerstadt waren zum Ende des Krieges viele Ausgebombte, Menschen, die sich vor den Bombenangriffen auf die Städte schützen wollten, Flüchtlinge und Vertriebene untergebracht. (1946 wurden 134 Personen in einer Liste für „Ostumsiedler, Evakuierte und Flüchtlinge“ erfasst. Da die Aufzählung häufig nur das Familienoberhaupt erfasste war die wirkliche Anzahl der Personen viel höher.)

        

       (Auszug)

Viele dieser Menschen wollten, besonders nach Einrichtung der Demarkationsline nicht in unserer Stadt bleiben sondern vorzugsweise in die amerikanische Zone weiter ziehen. Ortkundige Ummerstadter halfen ihnen oft die Grenzlinie zu überwinden. Diese Bemühungen wurden durch die Tatsache, dass einige Ummerstadter Bauern auch Felder in Bayern, sprich in der amerikanischen Zone, bewirtschafteten erleichtert. Die Kontrollen durch die Soldaten der roten Armee konnte man sich oft geschickt entziehen. Wenn man doch erwischt wurde war es häufig möglich sich die Weiterfahrt, zum Beispiel durch die Hergabe einer Uhr, zu erkaufen.

Einheimische Ummerstadter Bürger sahen keinen Anlass ihre Heimat zu verlassen. Es gab also bis 1949 keine großartigen Fluchtbewegungen von Ummerstadtern, auch dann nicht als sich die Russen bis auf Höhe von Streufdorf zurück zogen und die Bewachung der Grenze nur noch sporadisch, durch Fahrzeugpatroullien oder berittene Streifen erfolgte.(In der Zeit sind viele Flüchtlinge durch Ummerstadt in Richtung amerikanische Zone gezogen)

Erst Anfang der 50-er Jahre, besonders nach dem mit der Aktion „Ungeziefer“ 1952 neun Familien mit insgesamt 28 Personen aus Ummerstadt vertrieben worden sind, stieg die Zahl der Menschen auch aus Ummerstadt, die in die amerikanische Zone flüchteten.
So meldetet der Ummerstadter Bürgermeister Sauerbrey bzw. Zeller an den Rat des Kreises Hildburghausen für 1952 fünfzehn „republikflüchtige“ Personen, für 1953 acht und für 1954 vier Personen. Im Jahr 1958 wurde eine Person als „republikflüchtig“ gemeldet.

 

Meldung der „Republikflüchtigen“ vom 23.09.1953

Von den 1952 vertriebenen Familien sind fast alle in den 50 er Jahren in den Westen geflohen, so dass Anfang der 60 er Jahre eine große Anzahl, der jetzt ehemaligen Ummerstadter, in der Bundesrepublik Deutschland wohnten. Man hielt einen etwas losen Kontakt unter den nun in der ganzen Bundesrepublik verstreut wohnenden Ummerstadter, der aber bald zu der Idee führte eine „Gemeinschaft der Ummerstadter“ zu gründen.

Besondere Verdienste um die Gründung dieser Gemeinschaft hat sich der Ummerstadter Bäckermeister Robert Süße erworben.
Das erste Treffen fand am 11.10.1962 in der Gastwirtschaft „Grüner Baum“ in Weidach statt. Wirt des Gasthauses war der alte Ratswirt von Ummerstadt Albin Eichhorn.

Dort entstand auch die Idee an der Grenze zu Thüringen ein weithin sichtbares Kreuz zu errichten um der Toten in der Heimat zu gedenken. Vom Kreuz aus sollte man nach Ummerstadt sehen könne. Es standen zwei Plätze zur Auswahl. Einer war in der Nähe der „Papiermühle“, also Richtung Gemünda und der andere Platz war am „Eichenbühl“. Man entschied sich für das Eichenbühl.

 

Aufbau des Ummerstadter Kreuzes, 1963
(vo.li.:  Ernst Holzheit, Rudi Jäger, Dieter Jäger, Willi Hackert, Theo Pätzold, Franz Oberender, Gustav Litzen, Gustav Ros)

Nach kurzer Planungszeit, wobei auch hier wieder Robert Süße sowie aber auch Woldemar Chilian die treibenden Kräfte waren, wurde das Kreuz am 27.10.1963  mit einem Gottesdienst geweiht.
(Woldemar Chilian konnte aber leider an der Weihefeier nicht mehr teilnehmen. Er starb am 08.11.1963)
Der Termin war mit Bedacht gewählt worden, denn zum gleichen Zeitpunkt wurde in Ummerstadt, das man vom „Eichenbühl“ einsehen kann, Kirchweih gefeiert.
Um die Sicht den Ummerstadtern auf das Kreuz und den Teilnehmern der Kreuzweihe auf Ummerstadt zu verwehren versuchte die Grenztruppe der DDR mit Nebelkerzen eine Sichtsperre aufzubauen und die Weihe des Kreuzes zu behindern.

Dies misslang gründlich, denn Pfarrer Steiner aus Gemünda ließ sich bei seiner besinnlichen und mahnenden Ansprache nicht beirren. Die Blaskapelle Autenhausen begleitete den Gottesdienst bei dem zahlreiche Kränze niedergelegt wurden. Die Veranstaltung wurde mit dem Vortrag eines Heimatgedichtes durch Otto Leuthäuser, einem ehemaligen Lehrer in Ummerstadt, beendet. Keiner von den 500 bis 600 Anwesenden verließ vorzeitig die Gedenkveranstaltung. Im Gegenteil durch die Rauchsäulen wurden aus den umliegenden Ortschaften mehr Neugierige aufmerksam und als der Grenztruppe der DDR schließlich die Nebeltöpfe ausgingen waren mehr Menschen am Kreuz als vorher.

 

 (vergeblicher Versuch Ummerstadt einzunebeln)

 

(mit dem Rücken zum Fotografen: Robert Süße)

 

Seit dieser Zeit steht das Kreuz an der gleichen Stelle und war in den ganzen Jahren bis zur Wiedervereinigung immer wieder Anlaufpunkt sowohl von Ummerstadtern als auch von vielen Menschen, die auf ihren Wanderungen und Spaziergängen das Kreuz zum Ziel hatten um von dort nach Ummerstadt hinein zu schauen.
Das „Ummerstadter Kreuz“ wurde so, bis heute, zu einem wirklichen Mahn- und „Denkmal“ in Erinnerung an die unseelige Grenze  mitten durch Deutschland.
Wolfgang Süße führte auch als Vorsitzender des Thüringer Waldvereins so manche Wandergruppe dorthin und hielt so die Erinnerung an die Trennung wach.
Besonders bei Beerdigungen von Verwandten in Ummerstadt, an denen man als Bundesbürger nicht teilnehmen durfte war das Kreuz Anlaufstelle von Bekannten und Verwandten der oder des Verstorbenen. Die Verwandtschaft von Ummerstadt wusste dann wer da am Kreuz steht und so mancher winkte, meist heimlich, weil es ja verboten war, zum Kreuz hinauf.

 
     
 
     
 
Tag der Deutschen Einheit 2008   Tag der Deutschen Einheit, 2012

Seit der Wiedervereinigung wird jeweils am 03.10. (Tag der Deutschen Einheit) am Ummerstadter Kreuz ein Gedenkgottesdienst abgehalten. An diesem ökumenischen Gottesdienst nehmen überwiegend Einwohner aus Gemünda, Ummerstadt und Autenhausen teil. Erfreulich ist, dass mancher Besucher aus Bad Colberg oder zufällig vorbei kommende Wanderer am Gottesdienst teilhaben. Das Ummerstadter Kreuz ist genau der richtige Ort um einem solchen Ereignis zu gedenken und man kann  nur hoffen und wünschen, das diese Tradition fortgeführt wird.

Die Gemeinschaft der Ummerstadter trafen sich in den Jahren nach 1963 mehr oder weniger regelmäßig. Fast jedes Jahr wurde auch Ummerstadter Kirchweih gefeiert, bei der Franz Hertha die Kirchweihpredigt hielt.

Ummerstadter Kirchweih, Gauerstadt, 1968    
Anneliese Eichhorn, Otto Eichhorn, auf der Bühne: Franz Hertha

 

 (von li.: Martha Wagemann, Paula Fröbel, Hermann Wagemann, Friedel Greiner, Hermann Chilian., Hermann Florschütz, unbek., unbek. (Cousine v. Hermann Florschütz),
  stehend: von li.: Christa Hertha, Franz Hertha, Erna Süße, Robert Süße, Hilde Florschütz)

Man bemühte sich die Kirchweih immer auch am gleichen Tage wie in Ummerstadt zu feiern.
Bei diesen Feiern waren auch häufig Besucher aus Ummerstadt, die in die Bundesrepublik ausreisen durften anwesend. Die Treffen und Kirchweihfeiern fanden häufig in Gauerstadt (Wacker) und Meschenbach (Eichhorn) aber auch in Gemünda und Autenhausen statt.
So wurde das10 jährige Bestehen des „Ummerstadter Kreuzes“ am 13.10.1973 in der Gaststätte „Bienenkorb“ in Autenhausen gefeiert.

Von li: Albin Eichhorn, Robert Süße in Autenhausen, 1973

Otto Streng zu Besuch aus Ummerstadt in Autenhausen, 1973

von li.: Willi Hackert, Heiner Eck am Ummerstadter Kreuz, 1973

Ummerstadter am Kreuz, in der Mitte: Edmund und Ingrid Fröbel, 1973

Wolfgang Süße mit Besuchergruppe am Ummerstadter Kreuz

Die in der Bundesrepublik wohnenden Ummerstadter besonders Wolfgang Süße, der seit 1974 die Nachfolge seines Vaters antrat, unterstützten die Stadt Ummerstadt in vielfältiger Weise.
Wolfgang Süße hat die Kirchengemeinde immer auch finanziell unterstützt indem er Spendengelder für die Kirche von Ummerstadt gesammelt hat und bei der anstehenden Renovierungen der Andreaskirche und der St. Bartholomäuskirche u.a. dadurch helfen konnte, dass er die Leuchter, Elektroleitungen und Kronleuchter beschafft hat.

Am 04.02.1990 konnte Wolfgang Süße dem Ummerstadter Pfarrer Harald Färber eine Spende von 2000.- DM für die Reparatur des großen bunten Altarfensters der St. Bartholomäuskirche überreichen.

  Ummerstadter am Tag der Deutschen Einheit am Kreuz, 1990

Die Gemeinschaft der Ummerstadter wurde erst nach der Wiedervereinigung, bei einer Veranstaltung im Rathausaal Ummerstadt, aufgelöst.
Wolfgang Süße ist am 08.08.2013 in Coburg gestorben.
Am 03.10.2013, am Tag der Deutschen Einheit, wurde dem 50-jährigen Bestehen des Ummerstadter Kreuzes gedacht. Der Vorsitzende des Historischen Vereins Ummerstadt, Eberhard Eichhorn, erinnerte als Zeitzeuge an die damaligen Geschehnisse. Anschließend legte die Bürgermeisterin der Stadt Ummerstadt Christine Bardin in Gedenken an die die Ihre Heimat nicht wiedersehen konnten und in Gedenken an Wolfgang Süße, Blumen am Kreuz nieder.

 "Ummerstadter Kreuz" am 03.10.2013